Donnerstag, 10. November 2011

Text zum Wordshop

Der Ougrapo Picture Wordshop Es war eine Zeit des Umbruchs, in der wir das Studium abgeschlossen hatten und als Grafik-Desigerinnen zu arbeiten begonnen hatten. Aber es war nicht der Umbruch von einer Zeit in eine andere, mittlerweile ist uns allen klar, es war der Umbruch in die Zeit des Umbruchs an sich. Im Studium hatten wir gelernt, WAS wir als Designer zu tun hatten. Aber die große Frage blieb das WIE: WIE wollten wir in Zukunft arbeiten? Ein nicht nachlassendes Interesse an Arbeitsmethoden und Prozessen begleitete jede von uns seitdem. Zusammengeführt hat uns 2001 die gemeinsame Begeisterung für die experimentelle Literaturgruppe Oulipo. Hier fanden wir ein kongeniales Vorbild für unsere Werkstatt für potentielles Grafik-Design(Ou-Gra-Po). Seit der Gründung beschäftigen wir uns mit der Übertragung des Oulipo-Gedanken auf das Grafik-Design und darüber hinaus. Seit über zehn Jahren haben wir „Design nach (eigenen) Regeln” erforscht, geprobt, in die Tat umgesetzt und dabei mit viel Spass und Energie ungewöhnliche Dinge gemacht, auf die wir ohne unsere selbstentworfene Regelwelt nie gekommen wären. Ougrapo ist Spiel. Allerdings nicht im Sinne von „spielen”, wie in „herumspielen” oder „Spielplatz”. Das ist zwar ohne Zweifel ein wichtiger Aspekt bei kreativen Prozessen. Aber hier geht es um das Spiel, welches im Englischen als „game” bezeichnet wird. Der Unterschied liegt in definierten Regeln und in der Begrenzung in Zeit und Raum. Das Ziel der ougrapistischen Spiele ist die Erforschung potentieller Welten, in denen andere Regeln gelten, als die unserer realen Welt. Und die Erkenntnisse, die wir aus diesen Erfahrungen gewinnen. Dass dabei grafische Objekte enstehen oder ein schmackhaftes Abendessen, sind die erfreuliche Nebeneffekte von Ougrapo. Unsere komplexe, digitale Welt verlangt nach einem elastischen Geist. Kreativität ist nicht beschränkt auf die sogenannten kreativen Disziplinen, jeder neue Tag verlangt von allen von uns flexible Lösungen im beruflichen wie im privaten Leben. Die Möglichkeiten, sich seine Lebenswelt zu gestalten, haben sich potentiell vermehrt. Sich hierdurch überfordert zu fühlen, ist keine Ausnahme. Wie geht man mit dieser Situation um und wie könnte man Kreativität für jeden einzelnen direkt erlebar machen? Aus dieser Fragestellung entwickelte sich unsere Idee. Wir wollten die spielerische Arbeitsweise von Ougrapo, die wie ein Werkzeug für Kreativität funktioniert, anderen zugänglich zu machen, indem wir sie persönlich erfahrbar gestalten. Für alle. Ganz egal ob Designer oder Nichtdesigner, Erwachsener oder Kind. So nahm der Ougrapo Picture Wordshop Gestalt an. Zunächst einmal ist der Ougrapo Picture Wordshop ein unterhaltsames Programm, das mit der Leichtigkeit eines Spiels daherkommt. Eine »ANLEITUNG ZUM KOLLEKTIVEN MITMACHEN UND KULTURELLER UNTERHALTUNG« zum WORT MALEN BILD SCHREIBEN, ZUFALL LESEN Mitzubringen sind ein Wort und ein Bild. Die REGEL DES ABENDS liest sich wie eine nichterledigte Hausaufgabe eines Grundschülers: 3 + 6 = 9 x 2 = 18 x 9 = 162 : 9 = 18 : 2 = 9 - 6 = 3 x 3 = 9 - 6 = 3 : 3 = 1 x 9 = 9 Was aber dabei herauskommt ist ebenso überraschend wie erstaunlich. Äußerst unterschiedlich und keinesfalls vorhersagbar. Die Teilnehmer betreten eine Spielwelt, in der die Regeln des Alltags für die Dauer des Spiels in den Hintergrund treten oder schlicht nicht mehr gelten, wie z.B. die verbreitete Regel: „Ich kann nicht zeichnen, also tue ich es auch nicht.” Jetzt gelten die Regeln des Picture Wordshops. Der Spielraum ist eröffnet. Die Zeit ist durch die Spiel-Etappen strukturiert. Die Handlung folgt der Anleitung. Die geregelte Spielwelt eröffnet Freiräum für neue und ungewohnte Erfahrungen. In rascher Folge werden Bilder in Worte übersetzt und Worte in Bilder. Werden Kombinationen gelegt. Variationen entwickelt. Ideen vermischen und kreuzen sich. Manches verschwindet, anderes taucht immer wieder auf und behauptet sich bis zum Ende des gemeinschaftlichen Gestaltungsprozesses. Während Schreiben und Rechnen zu den wichtigsten Fähigkeiten zählen, die Kinder in der Schule lernen, ist es das Visualisieren nicht. Obwohl wir ständig mit visueller Sprache konfrontiert werden, und diese lesen können, nutzen die Wenigsten dieses sehr effektive Ausdrucksmittel, um ihre eigenen Ideen zu vermitteln. Als Grafikdesigerninnen bringen wir Erfahrung im Umgang mit Wort und Bild mit. Grafikdesign besteht fast immer aus einer Kombination aus verbaler und visueller Sprache. Und genau hier liegt unsere Stärke. Die Idee des Picture Wordshops ist es, die Grenze zwischen Wort und Bild zu durchbrechen und eine Flexibilität zu erreichen, mit der die Ausdrucksfähigkeit jedes Teilnehmers gesteigert wird. Ein zentrales Element des Wordshops ist das kleine Format der Karteikarte. Auf die Karten wird geschrieben, gezeichnet, geklebt. Sie werden gemischt, verteilt, sortiert, geordnet, ausgewählt, kombiniert. Die Ähnlichkeit mit Spielkarten ist kein Zufall. Denn durch die Karten kommt der Zufall und die Potentialität mit ins Spiel. Ein weiterer, wichtiger Aspekt ist, dass durch das Weitergeben der Karten von einem Teilnehmer zum anderen keine individuellen Werke entstehen, sondern gemeinschaftliche. Die Ideen, die auf den Karten zum Leben erweckt werden, haben viele Autoren. Im besten Fall sind alle Teilnehmer des Wordshops irgendwie an allen Endergebnissen beteiligt. Die Erfahrungen, die die Teilnehmer beim Wordshop machen, führen zu den unterschiedlichsten Erkenntnissen. Unter anderem auch dem, dass sich diese spielerische Arbeitsweise auf viele andere Bereiche übertragen läßt und dort zu neuen Ideen führen kann. Und fast nebenbei haben die Teilnehmer ja bereits geübt, ihre Ideen in verbal-visueller Form zu kommunizieren – der erste Schritt einer neuen Idee hinaus in die Welt. ”Encourage a shift in HOW work is done” ”The point of a the game is the play itself, the exploration of an imaginary space.” (Dave Gray)

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